Warum leben reiche Menschen länger? (2024)

Bis zu 11 Jahre in Deutschland Warum leben reiche Menschen länger?

22.04.2016, 13:08 Uhr

Bekannte Tatsache: Wer arm ist, lebt meist nicht nur ungesünder, sondern stirbt auch eher als reiche Menschen. Nun zeigt eine Studie: In ökonomisch schwachen Regionen ist die Lebenserwartung der Ärmsten sogar noch geringer. Aber warum ist das eigentlich so?

Wer wenig Geld hat, lebt oft nicht nur schlechter und ungesünder, sondern auch kürzer als wohlhabende Altersgenossen. Für die USA hat eine aktuelle Studie diesen altbekannten Zusammenhang nun neu mit Fakten untermauert. Und zugleich gezeigt, dass für die Ärmsten dabei die Aussichten auf ein langes Leben in ökonomisch schwachen Regionen noch schlechter sind als in Städten mit guten Infrastrukturen.

Eine zweite neue Studie unterstreicht, dass sich die Schere bei US-Amerikanern ab 40 Jahren weiter öffnet. Bei den Jüngeren unter 20 hingegen wird die Kluft langsam wieder kleiner. Das Forscherteam um den Stanford-Ökonomen Raj Chetty errechnete auf Basis von 1,4 Milliarden Steuer- und Sozialversicherungsdokumenten aus den Jahren 1999 bis 2014: Während die wohlhabendsten fünf Prozent der 40-jährigen US-Amerikanerinnen heute 2,9 zusätzliche Jahre erwarten dürfen (Männer: 2,3 Jahre), stieg die Lebenserwartung der armen Bevölkerung in dieser Zeit wesentlich langsamer und insgesamt kaum messbar. Dabei lag der Unterschied zwischen dem ärmsten und dem reichsten Prozent der Frauen bei 10 Jahren, bei den Männern sogar bei 15 Jahren.

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Lebenserwartung der Ärmeren nicht überall gleich

Auch in Deutschland ist die Beziehung zwischen Einkommen und Lebenserwartung messbar: Hier lebt laut Robert Koch-Institut das wohlhabendste Fünftel der Frauen 8,4 Jahre länger als das ärmste Fünftel. Bei den Männern beträgt dieser Unterschied 10,8 Jahre. Die detaillierte Veröffentlichung im "Journal of the American Medical Association" ("JAMA") von Raj Chetty zeigt auch, dass die Lebenserwartung der Ärmeren nicht in allen Regionen gleich ist. So leben die Einkommensschwächsten in kalifornischen Städten wie San Francisco oder Los Angeles, aber auch in New York deutlich besser und gesünder als etwa in darbenden Industriestädten im Mittleren Westen wie Detroit, in Las Vegas oder Louisville.

Arme in New York profitieren offenbar vom gesunden Lebensstil ihrer Mitmenschen, der Verbannung ungesunder Trans-Fettsäuren und hohen Tabaksteuern. Und in San Francisco - einer Stadt voller Parks, mit einem großen Angebot sozialer Hilfsdienste, vielen Rauchverboten und bereitwillig fürs Gemeinwohl eingesetzten Steuergeldern - leben Arme etwa drei Jahre länger als Menschen mit dem gleichen Einkommen in Detroit.

Wichtig: soziale Hilfsangebote und funktionierendes Bildungssystem

Dieser Unterschied entspreche in etwa dem Ansteigen der Lebenserwartung, wenn Krebs geheilt werden könne, erläuterte Studienautor Chetty in der "Washington Post". "Daran kann man sehen, dass das eine große Sache ist." Auch andere Experten betonen, wie wichtig soziale Hilfsangebote und ein funktionierendes Vorschul- und Schulsystem sind, um Ärmere aus der drohenden Spirale aus schlechter Ernährung, wenig Bewegung, Fettleibigkeit, Rauchen, chronischer Krankheit und schließlich geringerer Lebenserwartung zu befreien.

Princeton-Professorin Janet Currie betont in einer anderen, in "Science" veröffentlichten Studie, dass die Ungleichheiten bei der jungen Generation zurückgehen. So habe sich die Kindersterblichkeit zwischen 1990 und 2010 in den ärmsten Regionen fast halbiert. Von 1000 neugeborenen Jungen starben 1990 noch mehr als 18 in den ersten drei Lebensjahren, 20 Jahre später waren es nur noch knapp 10. "Das legt nahe, dass sich in Zukunft die Ungleichheit bei der Sterblichkeit im höheren Alter verringern dürfte", so Currie.

US-Gesundheitssystem baut Mauern

Doch immer wieder baut auch das US-Gesundheitssystem auf diesem Weg Mauern. Zwar sind die Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit in den USA die höchsten im OECD-Vergleich. Im Jahr 2013 lagen sie bei 16 Prozent des Bruttoinlandprodukts - in Deutschland bei elf Prozent. Das heißt aber nicht, dass deshalb der Zugang zu medizinischem Fortschritt für jedermann im gleichen Ausmaß möglich ist - dem neuen Krankenversicherungs-System "Obamacare" zum Trotz.

Für die hohen Ausgaben sind in erster Linie die immensen Medikamentenpreise verantwortlich, die Pharma-Unternehmen auf dem US-Markt durchsetzen. Selbst Krankenhäuser können kaum Rabatte verhandeln, sondern müssen - etwa für Chemotherapien - oft ein Vielfaches der in Deutschland üblichen Summen bezahlen. Gleichzeitig werden gerade für diese extrem teuren Therapien aufwendige TV-Werbespots geschaltet. Zielgruppe: wohlhabende Premium-Versicherte, die von ihrem Arzt exakt diese Therapie einfordern sollen.

Warum leben reiche Menschen länger? (2024)

FAQs

Warum Reiche länger leben? ›

Wer reich ist, ernährt sich besser, hat eine ungefährlichere Arbeit und wird deshalb älter. Wer wenig verdient, stirbt früher. So lautet eine altbekannte These.

Wie alt werden arme Menschen? ›

Während die reichen Männer im Schnitt 87,3 Jahre alt wurden, lebten die armen 72,7 Jahre. Die wohlhabenden Frauen brachten es auf 88,9 Jahre, die einkommensschwachen Frauen starben im Schnitt nach 78,8 Jahren.

Warum Leben gebildete Menschen länger? ›

Es gibt Untersuchungen, dass Leute mit höherem IQ insgesamt gesünder essen, mehr Sport treiben, sich weniger riskant verhalten, weniger rauchen und Alkohol trinken und im Alter weniger an Gewicht zunehmen. Alles Faktoren, die der Lebenserwartung zuträglich sind.

Wie verändert Reichtum den Menschen? ›

Nach Experimenten sagen US-Forscher: Wer Geld hat, sieht Gier eher positiv - und betrügt öfter. Das Fazit der Wissenschaftler: Reichtum fördert die Unmoral. Reiche lügen und betrügen häufiger als Menschen mit niedrigerem sozialem Rang. Außerdem nehmen sie anderen im Straßenverkehr öfter die Vorfahrt.

Kann man 130 Jahre alt werden? ›

September 2021. Tokio – Menschen können laut einer neuen wissenschaftlichen Studie ein Alter von 130 Jahren oder gar noch mehr erreichen – auch wenn die Chancen dafür extrem gering sind.

Wie erkenne ich arme Menschen? ›

Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens verdient. Das waren 2015 rund 12.000 Euro verfügbares Einkommen – also nach Steuern und zuzüglich möglicher Sozialhilfen – im Jahr. Reich sind Sie demnach ab dem doppelten des mittleren Einkommens, rund 41.000 Euro verfügbarem Einkommen pro Jahr.

Wer länger arbeitet ist früher tot? ›

Ein späterer Renteneintritt erhöht die Sterblichkeit. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des EPoS Research Centers an der Universität Mannheim.

Warum Leben Menschen heute länger als früher? ›

Maßgebliche Gründe hierfür sind Fortschritte in der medizinischen Versorgung, Hygiene, Ernährung und Wohnsituation, verbesserte Arbeitsbedingungen und gestiegener Wohlstand. Nach den Ergebnissen der Sterbetafel 2020/2022 beträgt die Lebenserwartung neugeborener Jungen 78,3 und die der Mädchen 83,2 Jahre.

Warum Leben glückliche Menschen länger? ›

Offenbar haben negative Faktoren wie Stress, schlechte Laune, Unzufriedenheit und Pessimismus handfeste Auswirkungen auf die Gesundheit – und verkürzen somit das Leben. Wer hingegen glücklich und zufrieden ist, so das Fazit, wird seltener krank, hat ein stabileres Immunsystem – und lebt länger.

Wie glücklich sind reiche Menschen? ›

Wie bei der US-Studie von Killingsworth wurde dabei eine abgestufte Skala verwendet (0 bis 10). Millionäre kommen auf eine durchschnittliche Zufriedenheit von 8,2, mit weniger Vermögen sinkt die durchschnittliche Zufriedenheit auf bis zu 7,1.

Werden die Reichen immer reicher? ›

Auch in Deutschland werden die Reichsten immer reicher und die Ungleichheit nimmt weiter zu: Das Gesamtvermögen der fünf reichsten Deutschen wuchs danach seit 2020 inflationsbereinigt um rund drei Viertel von etwa 89 auf etwa 155 Milliarden US-Dollar.

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