US-Immobilien Holzveranda statt Betonfundament - ein Kulturvergleich (2024)

  • LinkedIn
  • Xing
  • X.com
  • Facebook
  • E-Mail
  • Messenger
  • WhatsApp
  • X.com
  • Facebook
  • E-Mail
  • Messenger
  • WhatsApp
US-Immobilien Holzveranda statt Betonfundament - ein Kulturvergleich (1)

Hamburg - Wer an Immobilien in den USA denkt, hat schnell Bilder von hübschen Holzhäusern im Kopf, die beim nächsten Umzug einfach auf den Truck gepackt werden. Für den deutschen Häuslebauer hingegen zählt Solidität mehr als alles andere: Wer nicht unterkellert, gilt schon als Schmalspurbauherr. Beim Vergleich der beiden Nationen treffen Welten aufeinander.

Dass Amerikaner eine Abneigung gegen feste Fundamente haben, liegt zunächst einmal an der Geschichte: "Die USA sind ein Land von Einwanderern. Für viele Menschen gehört es zum Leben dazu, umzuziehen", sagt Anthony Hitt, CEO beim Immobilienvermittler Engel & Völkers North America.

Im Durchschnitt ziehen US-Bürger alle sieben Jahre um. In Deutschland sind es etwa alle zehn Jahre. Ein großer Teil davon entfällt auf junge Menschen, die zur Miete wohnen. Ist der Traum vom Eigenheim erst einmal verwirklicht, ist umziehen nur noch im Notfall eine Option.

In den USA ist das anders, Häuser werden im Normalfall gebraucht gekauft und bei Bedarf wieder verkauft. An anderer Stelle ersteht man dann eben ein neues Gebrauchtes.

Statt bauen: Gebraucht kaufen, gebraucht verkaufen

"Das ist in den meisten Fällen deutlich billiger, als neu zu bauen", sagt Architekt Tim Delhey-Eian. Der gebürtige Deutsche lebt und arbeitet seit mehr als zehn Jahren in Minnesota im Bundesstaat Minneapolis im Norden der USA. Ausschlaggebend beim Kauf sei der Anschaffungspreis, die Unterhaltskosten seien Nebensache. Schließlich weiß man nie, wie lange man ein Haus überhaupt behält.

"Aus energetischer Sicht sind viele US-Häuser eine Katastrophe", sagt Delhey-Eian. Das liegt weniger an der Holzbauweise, sondern an der Wandstärke: Sie misst beim Standardhaus bei gerade einmal 15 Zentimeter. Neben konventionellen Einfamilienhäusern und Gewerbeimmobilien baut und verkauft Delhey-Eian hin und wieder auch ein Passivhaus an die dann meist besser verdienende Kundschaft.

Sechs Monate lang bollert die Heizung, drei Monate die Klimaanlage

Die Wetterbedingungen in den USA müssten eigentlich gute Argumente liefern: In Minnesota sanken die Temperaturen in diesem Winter bereits auf Minus 30 Grad Celsius. Die Temperaturen sind in diesem Jahr zwar nochmals deutlich niedriger als im Mittel, kalte Winter mit zweistelligen Minusgraden sind aber an der Tagesordnung. Im Sommer herrscht oft tropische Hitze mit 30 Grad Celsuis und 85 Prozent Luftfeuchtigkeit.

"Dennoch leben die meisten Menschen hier in dünnwandigen Holzhäusern", sagt Delhey-Eian. Sechs Monate im Jahr bollert die Heizung, drei Monate im Jahr die Klimaanlage.

Möglich macht das die im Vergleich zu Deutschland immer noch spottbillige Energie: Die Kilowattstunde Strom gibt es ab sieben Dollar-Cent, der Preis für Erdgas ist nach dem aktuellen Fracking-Boom auf zwei Dollar-Cent pro Kilowattstunde abgerutscht.

Eine Frage der Baukultur - Anreize zum Energiesparen nahe Null

Der deutsche Kunde kann bei solchen Zahlen nur erblassen vor Neid, er zahlt im Schnitt mehr als sechs Euro-Cent pro Kilowattstunde für Erdgas. Macht für den amerikanischen Durchschnittshausbesitzer rund 2000 Dollar pro Jahr inklusive aller Nebenkosten.

Finanzielle Anreize, massive Häuser zu bauen, sind deshalb gleich null. Und Komfort ist überall auf der Welt anders definiert. "In solchen Häusern zieht es ohne Ende", sagt Delhey-Eian. "Aber für Amerikaner ist das völlig normal."

Ebenso normal ist ihre Bereitschaft, kurzfristig bei Freunden oder in der nächst gelegenen Turnhalle ein Notquartier zu beziehen, wenn die Gasversorgung unterbrochen ist und die Raumtemperatur im Winter binnen Tagesfrist bedrohlich in den Keller rauscht. "An der Art, Häuser zu bauen, hat sich in den vergangenen 50 Jahren nicht viel geändert", sagt der Architekt.

Freilich wohnen nicht alle Amerikaner in zugigen Holzhäusern. Je nach Region und Klima gibt es auch Steinhäuser, vor allem an der europäisch geprägten Ostküste. Außerdem sind gut gemachte Holzhäuser energetisch nicht unbedingt schlechter als Stein: "Es ist eine Frage der Baukultur in Deutschland, dass gute Häuser vermeintlich aus Stein gebaut sein müssen. Bei Holzhäusern ist das Wärmegefühl zum Beispiel viel besser, weil die Wände keine Kälte in den Raum abstrahlen", sagt Markus Klein.

Veranda mit Schaukelstuhl

Der Unternehmer hat sich während eines beruflichen Aufenthalts in den USA in den dortigen Baustil verliebt und baut seit vierzehn Jahren Häuser nach amerikanischem Vorbild in Deutschland. "Schiebefenster und Einbauschränke im ganzen Haus sind einfach praktisch", schwärmt Klein.

Dazu die Veranda vorm Haus für den obligatorischen Schaukelstuhl, durch die Küche geht es direkt zur Garage. Je nach Geschmack mit Säulen dekoriert, und das Dach ist mit Schindeln statt mit Dachpfannen eingedeckt. Vorteil: Die Schindeln sind flach, Gauben und Türmchen und großflächige Dächer wirken so zierlicher als mit den hierzulande üblichen Dachziegeln: "Der amerikanische Baustil lässt mehr Raum für ästhetisch schönes Bauen", findet Klein.

Bislang hat er in Deutschland an die 50 Häuser im amerikanischen Stil gebaut und verkauft. Meist an gut verdienende Kunden, die nach einem USA-Aufenthalt die amerikanische Art zu wohnen nicht mehr missen wollten.

Bungalow in Florida für 99.000 Dollar

Wer im Urlaub in Florida einen günstigen Traum-Bungalow sieht, sollte sich allerdings nicht vom niedrigen Preis blenden lassen. Ein 100-Quadratmeter-Haus für 99.000 US-Dollar kostet hierzulande schnell ein Vielfaches: "Wer so ein Haus mit Baumaterial in deutscher Qualität baut, landet schnell beim doppelten Preis. Wenn dann noch deutsche Löhne hinzukommen, ist man schnell beim Dreifachen", sagt Klein.

Seine Holz-Häuser haben gut gedämmte 42er Außenwände, die Schiebefenster sind mehrfachverglast und streng zertifiziert.

Billig ist das Ganze denn auch nicht: Ein simples deutsches Familienhaus liegt bei rund 1400 Euro pro Quadratmeter, der Ami-Stil kostet rund 50 Prozent mehr, in Steinausführung kalkuliert Klein nochmal zehn Prozent Aufschlag. Ein einziges Haus hat er hierzulande bislang aus Stein gebaut. Allerdings nicht aus energetischen Gründen oder wegen der Haltbarkeit. "Der Bauherr wusste von Anfang an, dass er das Haus nach wenigen Jahren verkaufen wird. Und in Deutschland sind Steinhäuser einfach besser verkäuflich."

Pragmatische US-Bürger: Holzhäuser sind rasch wieder aufzubauen

Anders als in Amerika sind Kleins US-Häuser häufig auch unterkellert, und haben in jedem Fall ein Betonfundament. 90 Zentimeter frostfrei sind in Deutschland Standard. Vielen US-Häuslebauern genügt hingegen eine einfache Bodenplatte aus Holz, die auf ein Punktfundament geschraubt wird.

Massivhausbauer sollten sich allerdings hüten, zu spotten: Die Stürme in den USA toben regelmäßig mit mehr als 300 Kilometern pro Stunde übers Land. "Bei solchen Windgeschwindigkeiten fliegen auch die Stein von Massivhäusern weg", sagt Klein.

In Sturm geplagten Regionen sind sie genau deshalb zweite Wahl: Zum einen sind umherfliegende Backsteine noch gefährlicher als tobende Holzplanken. Und einfache Holzhäuser sind schneller wieder aufzubauen.

US-Immobilien Holzveranda statt Betonfundament - ein Kulturvergleich (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Carmelo Roob

Last Updated:

Views: 6270

Rating: 4.4 / 5 (45 voted)

Reviews: 92% of readers found this page helpful

Author information

Name: Carmelo Roob

Birthday: 1995-01-09

Address: Apt. 915 481 Sipes Cliff, New Gonzalobury, CO 80176

Phone: +6773780339780

Job: Sales Executive

Hobby: Gaming, Jogging, Rugby, Video gaming, Handball, Ice skating, Web surfing

Introduction: My name is Carmelo Roob, I am a modern, handsome, delightful, comfortable, attractive, vast, good person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.